Ollies, Kickflips, Strawberry Milkshakes und One Foot Backside Smith Grind Tailgrabs – alles abstrakte Fachbegriffe, welche sich absurderweise oft auch wie das süße Dessert anhören, das man in einem kleinen, städtischen Café finden würde, mit denen die meisten sich nicht weiterzuhelfen wissen. In der abgefahrenen Skater-Utopie Radlandia gehören sie allerdings zum alltäglichen Jargon. Eine Welt, die von fünf krassen, sagenumwobenen Skatergottheiten mit waghalsigen Tricks geformt wurde. Eine schrille und verrückte Welt, die nur so von aufgeschlossenen Skatern wimmelt. Eine Welt, die es dem grandiosen Gameplay ermöglicht, sich zu entfalten, selbst aber nie mehr als eine nette Kulisse ist, die im Hintergrund verweilt.
Radlandia – die freshe Skateroase schlechthin. Strände mit angesagten Eisdielen, bestückt mit Halfpipes, wackeligen Rampen und Geländern, so weit das Auge reicht. Bevor man aufs Brett springt, und die Bewohner des Landes mit seinen mutigen Kunststücken gänzlich aus den Socken haut, wird man an die schonungslos übertriebene Welt des Titels herangeführt. Fünf sogenannte Skategottheiten, jede, die ihr eigenes Territorium mithilfe des Skateboards schuf und sich anschließend dort niederließ, wartet auf einen neuen Propheten – das Skatewunder. Das amtierende Skatewunder möchte sich zur Ruhe setzen, jedoch braucht es ein Skatewunder, um das Gleichgewicht beizubehalten. Als junger Skater stellt ihr euch der Skaterprobe, um an das Amt des Skatewunders zu kommen, und trefft auf einen Haufen von Draufgängern, bestehend aus dem jetzigen Propheten, zwei unterhaltsamen Freunden, und einem Skater, der auch im Alter noch für den Adrenalinkick brennt. Anweisungen bekommt ihr vom amtierenden Skatewunder und ihren Freunden, deren Stimmen derer der Star Fox-Kommandanten ähneln. Es gilt nun die zunehmend herausfordernden Kurse aller Bezirke zu bezwingen, um die fünf Skills der höheren Mächte zu meistern, und so dem, an das buddhistisch angelehnte Konzept, “Gnarvana” ein kleines Stückchen näherzukommen. Sunshine Valley ist aber nur ein Teil eines größeren Kontinents. Neben den mit Kickflips geformten Stränden, brettert man durch das Industriegebiet und seinen Fabriken, wo die vierrädrigen Bretter selbst zusammengeschraubt werden. Oder aber man stattet Cloverbrook einen Besuch ab – das Zuhause knuffiger Bienen und munterer Baumstämme, die sich für die Erhaltung ihres Lebensraumes einsetzen. Radlandia ist mit all seinen Bezirken ein Augenschmaus und passt, wie der Name schon vermuten lässt, zur völlig überspitzen Coolness, die oft mit dem Skaten selbst in Verbindung gebracht wird, das Private Divsion in ihrem bisher ehrgeizigsten Titel so herrlich auf die Schippe nimmt. Die monochromatische Farbgebung lässt die Welt im Hintergrund verschwinden, sodass sie weiterhin ansprechend aussieht und dabei das knifflige, ständig Aufmerksamkeit beanspruchende Gameplay vielmehr unterstreicht, als dass es ihm seinen Ruhm stehlen würde. So schwer wie es mir allerdings fällt, einen zusammenhängenden, schlüssigen Abschnitt über die Welt des Spiels zu schreiben, so schwer ist es wiederum auch, etwas Nennenswertes über die Welt des gelassenen Abenteuers zu erwähnen. Ganz offensichtlich steht das Gameplay bei OlliOlli World an erster Stelle, und es zeigt sich. Dennoch enttäuscht die übergreifende Gestaltung der Welt. Nicht nur geht man relativ antiklimaktisch, ohne jegliche, wohlverdiente Abschlussfahrt in die nächstliegenden Bezirke rüber, auch wird nichts an der Ausschmückung der Orte getan, besonders in Anbetracht all der treffenden Elemente, die die Klischees und Stereotypen, die mit Skating in unserer Gesellschaft in Verbindung stehen, parodieren.
Ein Brett für jedermann
Jeder kann zum Skatewunder werden. Alles, was es benötigt, ist brennende Leidenschaft und ehrliche Hingabe. Dies wird auch bei der Erstellung des eigenen Fahrers deutlich, da wirklich jeder aufs Brett steigen kann. Neben der üblichen Skaterausstattung, bestehend aus ausgewaschenen Hoodies, Kappen in so ziemlich jeder vorstellbaren Farbe, mit Schirmen, die in genauso viele Richtungen ragen und klassischen Sneakern, bis hin zu Hijabs, und Durags gibt es hier wirklich für jeden Skater etwas, womit er sich repräsentiert fühlt. Dabei wird keine Grenze gezogen, wer was tragen kann – der Protagonist des Spiels hat kein Geschlecht, und kann somit das tragen, worauf er gerade Lust hat. Wer es ein bisschen sicherer angehen möchte, kann seinem virtuellen Abbild Knie- und Ellbogenschoner anlegen – natürlich nur, wenn es denn auch zum Outfit passt. Wo Private Division allerdings gespart hat, ist an den Frisuren, die die Skater auf dem Kopf tragen. Viele skurrile Haarschnitte sind vertreten und sehen ohne Zweifel schick aus, doch auf die Vielfalt, die man aus vorigen Kategorien gewohnt ist, wird man hier wohl nicht so schnell treffen. Im Laufe der Reise durch Radlandia kann man weitere Frisuren, Accessoires und Kleidung freischalten, jedoch merkt man schnell, dass das Aussehen des eigenen Skaters doch recht banal ist, da man das zukünftige Skatewunder oftmals nur in Miniaturform sieht. Für alle, denen das alles also egal ist, gibt es Optionen, die euch einen zufälligen Körper und ein zusammengewürfeltes Outfit zuweisen, was zu außergewöhnlichen Kombinationen führen kann. Ein Skater drückt sich aber nicht nur in seinem Aussehen aus – das Brett, und sein eigener Stil machen ihn zu dem Teufelskerl, der er sein möchte. So wie man praktisch alles am Protagonisten anpassen kann, so kann man noch mehr am treuen Brett ändern. Von den Achsen, bis zu den Rädern und dem allumfassenden Muster selbst wird es wohl kaum ein Brett geben, das dem euren gleicht. Besonders fleißige Fahrer dürfen im Laufe des Spiels auch die Animationen zahlreicher Moves anpassen, für welche es sogar überraschend viele Optionen gibt. Den Anlauf kann man so zum Beispiel vom konventionellen Running Start zum stylischeren 360 Kickstart ändern, das den Skater eine Drehung ausführen lässt, bevor er den Boden mit seinem Brett schneidet. Im übergeordneten Zusammenhang mag all dies sinnlos erscheinen – kleine Details, die nichts am Spielgeschehen selbst ändern. Aber es ist genau diese Liebe zum Detail, und der Aufwand, jeden zu repräsentieren, zusätzlich zahlreiche Optionen anzubieten, um seinen einzigartigen Charakter zu erschaffen, das dem Titel seinen ganz eigenen Charme verleiht.
Das eigentliche Skatewunder ist aber das Gameplay, welches dem Titel seine Daseinsberechtigung gewährt. Als kniffliger 2D-Plattformer hebt es sich in seinem durchgängig weiterrollendem Gameplay ab, das von Abteil zu Abteil immer mehr eurer Aufmerksamkeit fordert. Die bunte Jury der Skaterprobe begleitet euch auf der Reise durch Radlandia, bringt euch dabei allerlei Skate-Fachbegriffe, und dessen eigentlichen Tricks bei. Angefangen bei den Grundzügen des Sports lernt man, wie man richtig anläuft, mit dem Ollie und dem Kickflip euren ersten, wenn auch einfachen, Trick bewältigt und später auch, wie man an der Wand entlang fährt. Jedem Element wird vor dem nächsten neuen Trick ein wenig Luft, in Form mehrerer Level, gegeben, damit man sich an all die fremden Konzepte herantastet und beherrscht. All die, die mit den zahlreichen Konzepten des Skatens vertraut sind, können die langwierige Einführung überspringen, und direkt ans Eingemachte gehen. Jedes Level stellt dabei einen leuchtenden Punkt auf der Weltkarte dar, wie man sie aus sämtlichen Plattformern wie zum Beispiel dem Klassiker Super Mario World kennt. Die schrittweise, sorgfältig zusammengestellte Heranführung an jede einzelne Mechanik des Repertoires an Tricks und Kunststücken komplementiert und fördert das Herumexperimentieren mit den zu dem Zeitpunkt vorgestellten Elementen.
Anschieben, Kickflip, Controller richten, Wallrides
Beim Einrollen auf die Strecke ist der A-, B- oder X-Knopf, je nach Konsole und Controller, (wohlgemerkt exzessiv viele Bezeichnungen für eine simple Aktion) euer bester Freund, da das Abtreten mit dem Fuß auf den monochromen Boden die Geschwindigkeit beim Ball behält und nach kurzem Einspielen zu einem rhythmischen, nicht wegzudenkendem Teil des Spiels wird – so wie es wohl auch der Motor des Skatens ist. Nach und nach lernt man optionale Tricks, die mit spezifischen Drehungen des Sticks ausgeführt werden und den Score in die Höhe treiben. Das Grundgerüst, das anfangs aus Beschleunigen und Springen besteht, wird um grundlegende Teile ausgebaut, die den Schwierigkeitsgrad erhöhen, und den Umfang selbst, erweitern. Mit Geländern, auf denen ihr euer Brett entlang schleifen lassen könnt, wird nicht nur die Schnelligkeit und Kombinationsfähigkeit der Strecken strapaziert, auch die Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Abenteuer zugrunde liegen, eröffnen sich nach und nach. Im späteren Verlauf kommen auch Wände und Werbeplakate dazu, die die Räder vom Boden abheben, und Halt in der Luft schenken. Obwohl die Strecken selbst, bis hin zum zweitletzten Areal keine wirklich unerklimmbare Herausforderung darstellen, gibt es optionale Herausforderungen, die es zu besiegen gilt, um neue Animationen, Kleidungsstücke und Frisuren für euren freshen Skater freizuschalten.
Diese Herausforderungen kommen in verschiedenen Formfaktoren: es gilt, bestimmte Tricks nach einem gesetzten Ziel oft ausführen, eine vorsichtige Fahrweise an den Tag zu legen, um so zum Beispiel riesige Ballons, die skizzenartige Tiere darstellen, unversehrt zu lassen oder aber lediglich Gegenstände zu sammeln, die an knifflig zu erreichenden Orten versteckt sind. In frühen Leveln trennt sich die Strecke vor euch auch gern schon einmal, und führt in zwei unterschiedliche Richtungen, die unterschiedliche Dinge beherbergen. So findet man gelegentlich auch alternative Routen, welche versteckte Level und Nebenquests freischalten. Komplettisten können sich auch an den Rekorden der Lokalmatadoren versuchen und diese übertreffen – mit zunehmender Streckenanzahl steigen die Highscores allerdings auch exponentiell. Die optionalen Hürden bilden nicht nur die Wiederspielbarkeit des gesamten Werks, und geben den Leveln, denen es an einer bedeutenden Herausforderung eine Daseinsberechtigung, sie fordern den Spieler auch dazu auf, Neues auszuprobieren, was dazu führt, dass Tricks benutzt werden, die man sonst nicht in Erwägung gezogen hätte. In den letzten zwei Welten des Spiels wurde man mit dem ganzen Repertoire des Skatens bekannt gemacht, und muss nun sein Können in den schwereren Etappen des Spiels unter Beweis stellen. Dass man bei einem so schnellen, automatisch fortlaufenden Titel wie OlliOlli World alle Tricks fast intuitiv, mit dem ein oder anderen Aussetzer, einsetzen kann ist fast schon ein Testament des Gameplay Designs vom Entwicklerstudio Private Division.
Wem die Rekorde der Lokalmatadoren hingegen zu niedrig sind, denen wird mit der globalen Bestenliste ein riesiges Fass geöffnet. So kann man sich die Wiederholungen jedes Spielers anschauen, und sehen, wo man Punkte für einen höheren Score verschenkt hat. Auch zufällig generierte online Level werden dem Spieler praktisch vor die Füße gelegt, um sich damit auszutoben. Man wählt Schwierigkeit, Aussehen, Länge und steigt im Nullkommanichts in euer brandneues, einzigartiges Level ein. Könnte man zumindest meinen. Die Option, unzählige Level erstellen zu können, und diese anschließend anhand einer sogenannten Postleitzahl mit anderen vertrauten Skatern teilen zu können ist ein grundlegendes Feature, das das Leben des Spiels um Unmengen an Zeit verlängert würde. Was aber so oft das Problem bei zufällig generierten Leveln ist, steckt bereits im Namen. Sie sind generiert, ohne jeglichen Hintergedanken, ohne wirkliche Intention, die damit erzielt werden will. Entwickler, die für die Level zuständig sind, platzieren jeden einzelnen Abschnitt eines Levels mit dem Hintergedanken, dass es sich in ein umfassendes Gesamtbild einordnet, und jedes andere Bauteil komplementiert. Hier merkt man allerdings wohl am ehesten, dass es eben nur Bausteine sind, die in einer willkürlichen Reihenfolge hintereinander eingereiht wurden. Was aber vielleicht noch bizarrer ist, ist die Anzahl der genutzten Bausteine selbst. Viele Abschnitte, auf die man in Strecken des Hauptabenteuers trifft, werden vom Generator in den erstellten Leveln nahezu dementiert. Geländer, Wände und die gelegentlichen Kristalle sind alles, was die zufälligen Fahrten ausmachen. Auf unpassende, rote Vektoren, die bei der Berührung mit dem Brett eure Fahrt beenden, stößt man auch an jeder zweiten Ecke. Den Strecken fehlt jegliche Art von Kreativität und Seele, von denen die vorigen Level nur so gestrotzt haben. Auch in den Schwierigkeitsgraden wird man oft eine verwirrte Miene aufs Gesicht gezaubert bekommen. Nach unzähligen Leveln und langem Grübeln stellt man fest, dass sich die Schwierigkeitsgrade nur an der schieren Anzahl an Hindernissen, die aneinandergereiht werden, unterscheiden. Das, allerdings, treibt den Schwierigkeitsgrad nicht wirklich in unerreichte Höhen, weil es im Prinzip immer noch einzelne Teile sind, die nun aber näher am nächstliegenden Teil hängen. Und das alles vor dem statischen Hintergrund einer der vier vorigen Abschnitte, die sonst belebt waren, und teilweise eine kleine, versteckte Geschichte erzählten. So gut wie OlliOlli Worlds Gameplay auch ist, zeigt die online Komponente, dass sich ein roter Faden der Mittelmäßigkeit durch das Spiel zieht.
Die bunte Welt ohne Kern
In seiner Geburtsstunde waren Videospiele nicht mehr, als ein in einem Arcade-Kabinett gefangenes Programm, dass mit schlichtem aber kniffligem Gameplay als Geldfresser konzipiert wurde. Gut, ob Games heutzutage keine Geldfresser sind, sei erstmal dahingestellt, aber was nicht abzustreiten ist, ist die unglaubliche Entwicklung, die das Medium in den letzten 60 Jahren durchgemacht hat. Was einst repetitive Spielereien waren, sind heute wahrhaftige Kunstwerke, die mit Musik, Narrative, Stil und Optik überzeugen. In OlliOlli World trifft man auf Spuren eines Kunstwerks mit Vision, das letztendlich aber nicht mehr als eine lustige, selten auch beeindruckende Spielerei bleibt. Daran ist nichts verwerflich – wenn das Ziel war, ein arcadiges Spiel in die Wege zu leiten, ist Private Division genau das gelungen. Wenn der Titel allerdings versucht, eine Geschichte, wenn auch keine dramatische, zu erzählen, eine Welt aufbaut, geschaffen von Göttern, die man trifft, aber dann grundlos in den Hintergrund rücken, fragt man sich durchgehend, ob es nicht anders hätte laufen können. Tutorials können übersprungen werden – gut für alle, die sowas hassen. Was man aber mindestens eine Welt später herausfindet ist, dass man auch jegliche Story-Segmente einfach überspringen kann. Untermalt wird die Session von einer chilligen, mit welligen Beats gefüllten, Skater-typischen Zusammenstellung vieler Stücke, die nicht für das Spiel selbst gemacht wurden, sondern schon vorher existierten. Wie und wann welcher Track läuft, ist auch euch selbst überlassen. Die Welt, die im Stile von Adventure Time aufblüht, ist leider auch nicht mehr als ein nettes Zusammenwürfeln verschiedener Cartoon-Elemente. Nichts wird irgendwo wirklich erklärt, und auf nichts wird irgendetwas aufgebaut. OlliOlli World ist eine wirklich amüsante Parodie der Skater-Kultur, die ihr gesamtes Potenzial in der Ansicht aber komplett verspielt. Wieso sollte man sich der Story oder den Dialogen des Spiels stellen, wenn man ohnehin alles überspringen kann? Bei solch einem guten Gameplay und einer einzigartigen Art Direction ist es einfach schade, dass man das gleiche Lob nicht über die anderen Aspekte singen kann. Eben weil OlliOlli Worlds Gameplay und Rahmenbedingungen so überzeugend sind, ist seine Visionslosigkeit nur umso auffälliger, und schafft es nicht das Bild innerhalb des Rahmens mit einem beeindruckenden Gesamtwerk auszufüllen.