podify Podcast

podify Podium – Let’s Plays

Comments (2)
  1. Ich habe es gerade auch mal geschafft, in diese Folge zu hören und mag auch gern meinen Senf dazu abgeben. Schließlich habe ich ein paar Jahre Erfahrung zu eurem Schwerpunkt-Thema. 😀

    Zuerst einmal möchte ich unterstreichen, dass auf YouTube zwischenzeitlich die Watchtime das wichtigste Merkmal ist. Und je kürzer ein Video ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es, zumindest relativ betrachtet, lang angeschaut wird. Für den kommerziellen Produzenten gilt dann noch die 10-Minuten-Grenze für längere und häufigere Werbung. Erst hier machen sich die eigentlichen Aufrufzahlen bemerkbar. Die Abonnentenzahl spielt eigentlich keine Rolle.

    Auch richtig hervorgehoben habt ihr, dass Let’s Plays nicht mit Spielen gleichgesetzt werden kann. Zum einen handelt es sich nur um den audiovisuellen Teil und nicht um das Gameplay. Ob die Steuerung schwammig ist oder das Level schwer ist, kann ein Zuschauer nur erahnen. Zum anderen färbt ein Kommentar auch auf das Spiel ab. Er bildet während des Spielens eine Meinung, mit der man sich dann auseinandersetzt, ohne dass man das unbedingt möchte. Und teilweise auch gar nicht kann, weil man eben nur das Video kennt, aber nicht das Spiel.

    Daher finde ich es auch schwierig, ein Let’s Play als Kaufentscheidung zurate zu ziehen. Das geht noch bei der Story oder der Grafik, hört dann aber auf. Ein Let’s Play analysiert schließlich nur selten das Spiel und kann bei der Kaufentscheidung helfen. Ziel eines Let’s Plays ist es nämlich üblicherweise zu unterhalten und nicht zu informieren. Meinungen zum Spiel sind dann häufig übertriebener dargestellt als sie es tatsächlich sind. Das dient einerseits wieder der Unterhaltung (vor allem, wenn sich der Spieler in den Videos über die Qualität des Spiels lustig macht) und andererseits kann eine solch übertrieben dargestellte Meinung polarisieren und die Interaktionen unter den Videos steigern, was wiederum ein wichtiger Faktor für die Suchergebnisse von YouTube ist.

    Als die Let’s Plays so langsam an Popularität gewonnen haben, war es noch so, dass es üblich war, eine sogenannte Duldungserklärung von den Publishern einzuholen, also eine Erklärung, dass es in Ordnung ist, ein Spiel auf YouTube über das Format einer Berichterstattung hinaus, zu zeigen und gegebenenfalls auch Geld damit zu verdienen. Waren da anfangs noch einige Publisher skeptisch, haben andere die Werbewirksamkeit erkannt und den Videoproduzenten auch gerne die Spiele und andere Annehmlichkeiten zur Verfügung gestellt, um so kostengünstig Käufer zu gewinnen. Bei storylastigen Spielen funktioniert das meist schlechter (wenn es nicht gerade darum geht, Entscheidungen zu treffen), als bei Mehrspielertiteln.

    Ein anderes Problem, das nur wenig beachtet wird, ist die Tatsache, dass die Duldungserklärung nur für das Spiel selbst gilt. Die Musik gehört, wenn sie nicht speziell komponiert wurde, den Rechteinhabern und ist von den Entwicklern nur lizenziert. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Verwendung der originalen Spielmusik nicht erlaubt ist. Um das zu ahnden, gibt es auf YouTube das Content-ID-System, das solche Musik erkennt und die Werbeeinnahmen den Rechteinhabern zuspricht. Infolgedessen haben viele Videoproduzenten die originale Musik stummgeschaltet und das Spiel stattdessen mit frei verfügbaren Titeln hinterlegt, was das Spielerlebnis im Video noch einmal ändert.

    Für größere YouTuber hat sich das Problem gelöst, als YouTube zwei verschiedene Partnerprogramme für Multi-Channel-Netzwerke angeboten hat. Im Affiliate-Programm durften Videokünstler über ihren Kanal frei verfügen, waren aber weiterhin dem automatischen Content-ID-System ausgesetzt, während im Managed-Programm der Kanal in den Besitz des Netzwerks überging, dieses für die Inhalte verantwortlich gemacht wurde und aus dem automatischen System herausgenommen wurden. Erst später hat YouTube die Funktion eingeführt, mit der sich Rechteinhaber von Musik und Künstler die Werbeeinnahmen eines Videos teilen konnten. Allerdings durfte der Rechteinhaber entscheiden, ob er teilen will oder nicht.

    Um aber auf Nintendo zu kommen (worauf ich eigentlich hinaus wollte): Die Japaner waren sehr lange gegen Let’s Plays und haben über Content-ID sehr viele Videos sperren lassen. Selten gab es Ausnahmegenehmigungen mit strengen Auflagen, die ein Let’s Play erlaubt haben. Später gab es dann eine von Nintendo eigens eingerichtete Plattform, auf der sich Videoproduzenten registrieren konnten und dann anhand von den vorhandenen Videos und der Reichweite entschieden wurde, ob auf seinem Kanal Let’s Plays von Nintendo-Spielen veröffentlicht werden dürfen. Erst mit der Switch und den Nindies hat sich Nintendo letztlich geöffnet.

    Betreibt man Let’s Plays halbwegs professionell, erarbeitet man sich dann doch einen eigenen Workflow. Und das Work in diesem Wort ist wirklich ernstzunehmen. Ich habe eine Zeit lang drei Videos am Tag veröffentlicht. Da bleibt oftmals nicht noch Zeit, um abseits davon zu spielen und man überlegt sich zweimal, ob man ein Spiel abbricht, vor allem dann, wenn es viel geschaut wird. Und an dem Punkt ist es dann wie im Beruf. Man möchte es nicht machen, aber es bringt nun einmal Einnahmen. Die wichtigste Regel, die in einem Netzwerk propagiert wird ist: Sei authentisch und passe dich deinen Zuschauern an. Oftmals lassen sich diese beiden Dinge aber nicht miteinander vereinen.

    Dass Let’s Plays aussterben oder davon bedroht sind, glaube ich nicht. Ich glaube, dass der Hype darum inzwischen verschwunden ist, sich aber eine feste Community um verschiedene Produzenten gebildet hat. Gleiches gilt für die verschiedenen Genres von Spielevideos. Es gibt Fans von Walkthroughs, Longplays, usw. Den Unterschied hat oftmals der Spieler gemacht. Wie bereits erwähnt dient das Let’s Play der Unterhaltung. Dort finden sich nicht die besten Spieler, sondern die, die am besten unterhalten können. Deswegen funktionieren Streams auch so gut. Dort erfahren Zuschauer die direkte Interaktion und Nähe, die Kommentare unter YouTube-Videos gar nicht erzielen können. Einziger Nachteil der Streams ist die zeitliche Bindung. Während ich Videos zu jeder Zeit schauen kann, sind Streams ein Live-Produkt, das auch nur live wirklich funktioniert und von der angesprochenen Interaktion lebt. Im Umkehrschluss werden Streamaufzeichnungen deswegen noch seltener geschaut als klassische Let’s Plays.

    So viel von meiner Seite dazu. Es ist doch etwas mehr geworden als ich erwartet habe. Das tut mir leid. Wirklich. 😀

    1. Marina sagt:

      Danke für diesen ellenlangen und toll geschriebenen Kommentar und danke für’s Anhören! 🙂